Der Idealmensch von Baldassare Castiglione

Der Idealmensch von Baldassare Castiglione

Der bekannte Diplomat und Schriftsteller der Renaissance nahm sich auch Zeit zu beschrieben, wie sich der ideale Bürger seiner Zeit benehmen soll. Sein Werk beinhaltet alle Grundlagen der humanistischen Tradition des 15. Jahrhunderts und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Ab und zu kann ein Buch die Welt oder zumindest unsere Weltansicht ändern. Dieses Buch veränderte für immer den Begriff der Vornehmheit. Es geht um das Buch „Der Hofmann“, ein Werk des italienischen Diplomaten Baldassare Castiglione, in dem er in der damals populären Dialogform den Begriff eines perfekten Herren, des sogenannten Universalmenschen, beschreibt.

Die Handlung des Buches, das zwischen 1509 und 1516 geschrieben und 1528 in Venedig zum ersten Mal veröffentlicht wurde, findet am Hof des Palastes Urbino statt. Bis heute wurde das Buch in ungefähr 140 Auflagen auf mehreren Sprachen veröffentlicht, wobei mehr als 100 Auflagen im ersten Jahrhundert nach der Ersterscheinung des Buches erfolgten. Außer in Castigliones italienische Muttersprache wurde das Buch auch auf Spanisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Latein und 1986 auf Kroatisch übersetzt. Zum Zeitpunkt der Bucherscheinung, verursachte es eine regelrechte Revolution, indem sich das Buch sehr schnell als Pflichtliteratur der höheren Gesellschaftskreisen etablierte. Es wurde von essentieller Bedeutung, sich wie ein Hofmann Castigliones zu verhalten. Castigliones Vorstellung, wie ein Herr sein sollte, vertrieb den mittelalterlichen Ritter in die Rumpelkammer der Geschichte und brachte einen neuen Helden ans Licht.

Disziplin und Treue

Castigliones perfekter Herr ist adeliger Abstammung. Er bestreitet nicht, dass auch arme Personen ohne ruhmvolle Vorfahren ehrenhafte Menschen sein können, aber er ist der Meinung, dass männliche Aristokraten dabei ein Vorteil haben, da sie ständig darauf Achtung nehmen müssen, das Ansehen ihrer Vorfahren nicht zu schänden. Der Ideale Herr kennt sich mit Waffen aus und hat militärische Erfahrung, was die Mehrheit damaliger angesehener Männer auch hatte. Dies war notwendig, damit sich ein Hoffman diszipliniert, damit er lernt, Hierarchie und Treue zu respektieren und schätzen und Castigliones Worten nach, um die Wildheit zu vermeiden. Er ist auch vom schönen Aussehen, hat ein schönes Gesicht, ist gut gebaut, hoch aber nicht zu korpulent, da solche Menschen den Eindruck erwecken, sie seien nicht insbesondere klug, und oft sind sie tatsächlich nicht allzu sehr geschickt. Für den idealen Menschen der Renaissance ist es wichtig, stark und geschickt zu sein, damit er im Falle eines Kampfes in guter physischer Kondition ist. Er muss nicht nur Waffen handhaben können, sondern ist es wünschenswert, dass er auch ringen kann.

Reden und Schreiben

Er ist jedoch viel mehr als ein ordentlicher Soldat. Er ist ein intelligenter Mann, der imstande ist, eine gute Beurteilung zu fallen und sein Benehmen der Situation anzupassen. Er weiß, in welcher Situation er ernsthaft oder locker sein sollte. Er behandelt all das diskret, wobei er seinen guten Geschmack zeigt und sein Ansehen nie schädigt. Aus demselben Grunde spricht er, ohne affektiert zu klingen. Er sollte seine Gedanken immer klar ausdrücken, damit ihn seine Zuhörer verstehen können, und zwar auch wenn er von schwierigen Themen redet. Wenn er andere anredet, sollte er nie eitel oder kindisch sein. Gleichzeitig sollte er aber locker bleiben, damit er andere nicht dazu zwingt, ihn zu loben, weil er sich zu viel Mühe gab.

Deswegen sollte er eventuelle Komplimente auf bescheidene Art und Weise annehmen, wobei das Selbstlob vermieden wird. Er sollte in toskanischer Sprache schreiben, und es wäre auch wünschenswert in dieser Sprache zu reden. Er wird noch mehr geschätzt, wenn er noch welche Fremdsprachen kann, insbesondere Französisch und Latein. Das Gesprächsthema sollte er den Umständen und dem Zuhörer anpassen.

Mode und Kunst

Castigliones perfekter Herr schätzt Kunst, kann Tanzen, spielt zumindest ein paar Instrumente und ist sachkundig in der Malerei. Was die Kleidung angeht, ist er immer gut angezogen und weiß, wie man seine Bekleidung der Situation anpasst. In offiziellen Angelegenheiten wird er dunkle gegebenenfalls schwarze Kleidung ohne zu viele Ornamente tragen, was ohnehin für ihn immer die beste Wahl ist.

Nur bei feierlichen Angelegenheiten wie Bällen oder Maskenbällen kann er sich prachtvollere Kleidung erlauben. Genauso wie er mit seinem Modestil nicht übertreibt, so bleibt er auch beim Essen und Trinken gemäßigt. Er weiß, wie man das Leben genießt, sollte sich aber jedem Genuss gemäßigt überlassen, was einst antike Autoren befürworteten.

Ehrlicher Untertan

Alles was er macht, egal wie viel Mühe er sich gibt, muss einfach aussehen. Ein aufrichtiger Mensch ist jener, der das Gesetz schätzt, sich aber dessen bewusst ist, dass man nicht immer alles im Leben nach Regeln machen kann. Vor allem ist er ein Mensch der Diskretion, der sowohl vulgäre Gesellschaft als auch solches Benehmen vermeidet.

Er ist seinem Herrscher treu und gehorcht ihm bedingungslos. Doch sollte er seinem Herrscher nie fälschlich schmeicheln, weil die Schmeichelei eine Eigenschaft von Flattergeistern und denjenigen ist, denen man nicht vertrauen kann. Stattdessen ist er gegenüber dem Herrscher immer ehrlich und drückt seine Meinung auf eine höffliche Art und Weise aus. Er darf seine Position nicht ausnutzen, oder den Herrscher um Gefallen bitten, sondern er wartet, dass ihn dieser aufgrund konkreter Verdienste selber belohnt. Falls ihm irgendwelches Privileg erwiesen wurde, wird er sich dafür diskret bedanken.

Liebhaber

Wenn es um Liebeseroberungen geht, bleibt der perfekte Hofmann auch dabei diskret. Als seine Lebenspartnerin wählt er eine Fraue, die guten Aussehens, eleganter Haltung, klug, eloquent und höflichen Benehmens ist. Er darf keinesfalls eine Frau auswählen, die vulgär aussieht oder sich so benimmt. Dazu soll man auch Frauen vermeiden, die schlecht von anderen Menschen hinter ihren Rücken reden. Er ist galant und wird der Auserwählten seines Herzens seine Liebe vor allem durch Taten und erst dann durch Worte bezeugen.

Während er noch jung ist, ist es zu erwarten, dass er von Leidenschaften beflügelt wird und dass sein Herz die Hauptrolle bei seinem Verhalten spielen wird. In diesem Alter ruft sein Benehmen das Mitleid hervor aber später, wenn er schon reif ist, werden solche Taten auf Verdammung stoßen. Deswegen muss er bei der Auswahl der Frau seines Lebens sowie in Verhältnissen zu anderen Menschen nach der Reife streben.

Alles in allem ist der Idealmensch der Renaissance stark, klug und breiter Ausbildung. Er ist gnädig und religiös und alles, was er tut, ist dem Menschen und Gott angenehm. Sein Handeln und Benehmen sind ein Vorbild für die anderen und sollen die Basis des moralischen und bürgerlichen Verhaltens sein.

Baldassare Castiglione war einer der bekanntesten Diplomaten der Renaissance und wurde sowohl vom Papst als auch vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches geschätzt

Baldassare Castiglione wurde in der Nähe der italienischen Stadt Mantua am 6. Dezember 1478 geboren. Der Nachname seiner Familie wurde oft in den Annalen Norditaliens erwähnt, insbesondere der Name von Tealdo Castiglione, der schon 1074 zum Bischoff von Mailand wurde. Baldassares diplomatische Karriere begann am prachtvollen mailändischen Hof von Ludovico Sforza, und setzte sich nach dem Tod seines Vaters 1499 im Dienst des Markgrafen Gianfrancesco Gonzagas in Mantua. Danach war er im Dienst des Herzogs von Urbino, Guidobaldo da Montefeltras, dessen Hof zum Handlungsort vom Baldassares Buch „Der Hofmann“ wurde. Im Jahr 1508 reiste er zum Hof des englischen Königs Heinrich VII., wo er im Namen des Herzogs die Ehren des namhaften Hosenbandordens erhielt. Ein Jahr später kehrte er in den Palast in Urbino zurück und fing dort an, sein kolossales Werk „Der Hofmann“ zu schreiben. Er setzte mit dem Schreiben fort auch nach dem Tod seines Herren 1508, dessen Stelle von seinem Neffen Francesco Maria della Rovere übernommen wurde. Der neue Herzog war zugleich der Neffe des Papstes Julius II. Als „Der Hofmann“ veröffentlicht wurde, war die Drucktechnik auf dem Gebiet Italiens erst etwas mehr als ein Jahrzehnt lang präsent. Kolumbus entdeckte die neue Welt als Castiglione noch ein Junge war, und man verwendete den Ausdruck „Protestant“ für die Anhänger Martin Luthers zum ersten Mal im Jahr Castigliones Todes. Michelangelo war vier Jahre älter von ihm und Tizian war sein persönlicher Freund. Baldassare lebte in einer Zeit andauernder Konflikte zwischen der Gewalt und dem Bedürfnis nach Feinsinnigkeit, was man in seinen Texten bemerken kann, die bis heute erhalten geblieben sind.

Die heutige italienische Standardsprache basiert auf der toskanischen Mundart, insbesondere auf ihrer florentinischen Variante. Francesco Petrarca besang seine Liebe gegenüber seiner Muse Laura in Versen in toskanischer Mundart und Dante Alighieri schrieb seine „Göttliche Komödie“ in derselben Sprache. Ausgerechnet dies half der Etablierung der toskanischen Mundart als die Standardsprache des zukünftigen Staates Italien. In dieser Sprache schrieb Giovanni Boccaccio sein kontroverses „Dekameron“ und Niccolo Machiavelli seine brillanten Werke „Der Fürst“ und „Die Discorsi: Das Wesen einer starken Republik“. Castiglione war der Meinung, dass sein perfekter Hofmann auf dieser Sprache reden soll, weil er dadurch den Respekt gegenüber den Werten seines Landes zeigt.

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